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Die Wegweiser Platons zum geistigen Pfad

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„Wer aber all sein Bemühen auf die Bereicherung des Wissens und den Erwerb wahrer Erkenntnisse gerichtet und diesen Teil seiner Seelenkräfte vor allem in reger Tätigkeit erhalten hat, der muss notwendig, insofern er die Wahrheit erfasst, unsterbliche und göttliche Gedanken in sich tragen und wird seinerseits, soweit die menschliche Natur für Unsterblichkeit empfänglich ist, es in dieser Beziehung an nichts fehlen lassen. (Timaios – ›Über die Natur‹)

Platon hat uns ein großes und »einleuchtendes« Werk hinterlassen, das im geeigneten Schüler »Leucht­spuren« hinterlassen kann und soll. Eine Leuchtspur kommt aus dem Licht oder aus dem Feuer (der Begeisterung) und wir spüren dabei Licht und Wärme, und dieses warme Licht kann in der Seele etwas Neues beleuchten und damit ein neues Bewusstsein bewirken. Dieses neue Bewusstsein in der Seele zur Geburt zu bringen ist das wichtigste Ziel Platons. Dazu sollen wir zum Ersten versuchen, die in unserer Seele schlummernde göttliche Vernunft und ihre Herkunft zu entdecken und zweitens die Bedeutung der philosophischen Weisheit erkennen, welche der göttlichen Vernunft in unserem Wesen zum Durchbruch verhelfen kann. Wichtig ist aber auch, dass wir durch vernünftige, natürliche Lebensweise unserer Seele einen gesunden Körper zur Verfügung stellen, damit sie in ihrem Leben ein verlässliches Fahrzeug zur Verfügung hat, mit dem sie sich möglichst »ohne Pannen« bewegen kann, wohin immer es auch notwendig ist.

Ob nun ein Mensch die Lehre Platons verstehen kann, hängt weitgehend von seinem Seelenbewusstsein ab. Dazu braucht es die Bereitschaft zur »Umwendung der Seele«. Einer Wandlung vom Materiellen zum »Ideellen« und von Triebhaftigkeit zu »Vernunftbestimmt«. Ohne diese Wendung der Seele und der damit verbundenen Tat bleibt die Erkenntnis aus. Der Fehler für dieses mangelnde Verständnis liegt dann aber nicht bei Platon oder dem häufig als Dialogführer auftretenden Sokrates, sondern bei uns selbst. Platon versucht, uns mit seiner Philosophie einen Weg zum Erkennen der Wahrheit, welche diese Umwendung bewirken kann, zu weisen und setzt uns damit quasi einen Wegweiser zum geistigen Pfad. Zum Finden einer »Höheren Wahrheit« ist Weisheit aber auch Glauben – wenn auch kein blinder – erforderlich, denn dieser weist auf ein inneres, individuelles Wissen hin, welches zwar nicht bewiesen aber dennoch erkannt werden kann. Die Philosophie Platons ist unserer angestrebten Bewusstseinsentwicklung auf zwei Stufen von großem Nutzen. Zunächst führt sie uns ein Welt- und Menschenbild vor Augen, welches in uns den schon angesprochenen Funkensprung auslösen kann. Dieser Funkensprung bedeutet, dass ein Licht in unserer Seele aufleuchtet und wir erkennen, dass die Philosophie, die Künste und das Gute für uns zu einem wichtigen Lebensinhalt werden können. Denn allein der Entwicklung der Seele wird in der Philosophie Platons Bedeutung zugemessen. Zum Zweiten gibt uns die platonische Philosophie auch die Werkzeuge in die Hand, die wir brauchen, um auf diesem Pfad voranzukommen. Sokrates steht uns dabei als »Pfadfinder« zur Verfügung, der unsere Seele zu einer Wirklichkeit führt, die in uns auch etwas bewirken soll. Lässt unsere Seele nämlich die Gedanken und Ideen Platons als geistige Impulse wirken, so werden diese Gedanken und Vorstellungen auch Wirklichkeit. Und in dieser Wirklichkeit können wir im sichtbaren Universum eine »Göttliche Fußspur« zwar nicht unmittelbar erkennen, aber diejenigen, die sich ernsthaft mit Philosophie beschäftigen, werden klare Umrisse dieser Fußspur sehen und eine deutliche Sicht dorthin bekommen, wo wir uns den Himmel vorstellen und wo Platon diesen klar erkennen konnte.

In der Platonischen Akademie wurden die ewig gültigen Gesetze gelehrt. Diese beruhen auf Ideen und Prinzipien, die von der Philosophie als »Das Seiende« bezeichnet werden. Dabei wird uns vor Augen geführt, in welchem Zustand wir uns befinden, wenn wir in dieser Welt geboren werden, und schließlich wird uns der Weg aufgezeigt, wie wir unsere in der sichtbaren Welt der Erscheinungen wurzelnde Abhängigkeit (die Bindung an die Illusion bzw. Materie) überwinden können, um unser Bewusstsein so weit es geht an der denkbaren Welt der Ideen und Prinzipien zu orientieren.

Das Ziel des Philosophen muss es sein, diese eine Wahrheit zu suchen; und wenn er diese erkannt hat, danach zu leben. Wahrheit auf diese Weise zu verstehen ist etwas, das immer Gültigkeit besitzt und zu allen Zeiten für alle Menschen gültig war. Um nun ein Schüler dieser Platonischen Akademie zu werden, bedurfte es laut Platon, wie er in seinem berühmten 7. Brief schrieb, zweier Voraussetzungen, welche auch heute noch Gültigkeit haben: „… nämlich Fassungskraft und Gedächtnisstärke einerseits und innerliche Verwandtschaft mit der Sache andererseits.“

Das heißt, wir müssen auch in der Lage sein, klar und konzentriert zu denken und uns mit dem, was wir aufgrund unseres Denkens an Erkenntnissen gewonnen haben und folglich TUN wollen, innerlich identifizieren, sprich mit dem Herzen dabei sein. „Des Weiteren“, sagt Platon, „bedarf es unermüdlicher Anstrengungen und reichlichen Zeitaufwands, um alle Anschauungen und Widerlegungen in versöhnlichem Tone zu erörtern.“

Das ist eine wichtige Eigenschaft für einen Philosophen oder jemand, der dies jedenfalls werden will – dass er nämlich in der Lage ist, einen Dialog ruhig und überlegt zu führen, um zum Schluss zum Ziel der Dialektik zu gelangen, welches „die Gewinnung einer höheren Erkenntnis durch die Synthese von Rede und Gegenrede, aber auch durch geschickte Fragestellung“ sein sollte. In seinem 7. Brief beschreibt Platon des Weiteren die Schwierigkeiten, welche den erwarten, der sich ernsthaft der Philosophie widmen will: „Man muss nämlich solchen Leuten die Aufgabe in ihrem ganzen Umfang, muss das Eigentümliche des Gegenstandes, die zahlreichen Schwierigkeiten und die große dazu erforderliche Mühe deutlich zu erkennen geben. Ist nämlich, wer das hört, ein wahrhafter Freund der Weisheit, innerlich mit ihr verwandt und als Gottbegeisterter berufen sich mit ihr zu befassen, so glaubt er Kunde erhalten zu haben von einem Wege, der in ein Wunderland führt, das zu erreichen er fortan alle Kraft einsetzen müsse … Und so mutet er denn sich und dem Führer auf diesem Wege die äußerste Anstrengung zu und lässt nicht locker, bis er entweder das Ziel erreicht oder die Fähigkeit erlangt hat, ohne den Wegweiser sein eigener Führer zu sein.“

Hier wird wieder deutlich, dass der philosophische Weg oder der geistige Pfad kein einfacher ist, und dass es durchaus eines inneren Feuers und auch äußerer Kraftanstrengung bedarf, um ihn auch unbeirrt zu verfolgen. Aus Platon Philosophie können wir für uns zwei Zielsetzungen ableiten: Nämlich erstens die Darstellung eines Welt- und Menschenbildes, welches beim geeigneten Schüler diesen schon erwähnten Funkensprung, ein Licht in der Seele auslöst – und wenn der Funkensprung, d. h. die Einsicht in die Wahrheit der platonischen Philosophie erfolgt ist – dann zweitens den Stufenweg der Erkenntnis zu gehen, welcher uns zu Philosophen werden lässt, die in ihrer Seele das Gute und die Gerechtigkeit erkennen und nach dieser Erkenntnis auch leben wollen, d. h. dann auch selbstständig den geistigen Pfad zu beschreiten.

Über dieses Erkennen schreibt Platon wieder in seinem 7. Brief: „Von dieser Anschauung durchdrungen und von diesem Triebe erfüllt, geht ein solcher seinen Berufsgeschäften zwar nach, welcher Art sie auch sein mögen, er bleibt aber vor allem immer der Philosophie treu ergeben und ist bedacht auf eine alltägliche Lebensweise, die seine Fassungskraft, sein Gedächtnis und sein Denkvermögen bei innerer Nüchternheit bis zum denkbar höchsten Grade steigert, während das Entgegengesetzte ihm für immer aufs Tiefste verhasst ist.“

Platon zeigt uns in seinen Gleichnissen Folgendes auf:

  1. in welchem Zustand wir uns befinden – nämlich in einer dunklen Höhle (Höhlengleichnis);
  2. wo sich das wahre Leben befindet – in der Erkenntnis der Idee des Guten (Sonnengleichnis);
  3. welche Stufen wir erklimmen müssen, um eine Erkenntnis von der Idee des Guten zu erlangen (Liniengleichnis).

Sokrates, den Platon uns in seinen Büchern oft als »Seelenführer« vorstellt, hat von seinem »Daimon«, der göttlichen Stimme in ihm, gesprochen. Die Qualität dieses »Göttlichen« in uns ist abhängig vom Grad der Teilhabe an der göttlichen Vernunft. Wir haben demnach Anteil an der göttlichen Welt und diese kann sich uns auch offenbaren. Bei Sokrates kam diese Offenbarung sehr stark zum Ausdruck, bei uns wird sie wiederum weniger stark spürbar sein – weil unsere Seelen meist übermäßig mit dem irdischen Ballast behaftet sind. Unser Denken ist, wie uns die aristotelische Philosophie lehrt, meist im Sichtbaren verhaftet, während die Welt der Ideen uns als Quelle der Wahrheit meist noch fremd ist. Und die Existenz eines Geist-Seele-Menschen ohne eine sichtbare Körpergestalt übersteigt unsere Vorstellungskraft ohnehin zumeist ziemlich weit.

In der Welt, in der wir jetzt leben, ist es nicht zum Guten bestellt. Jedes Lebewesen lebt zumeist auf Kosten von anderen Lebewesen. Es dominiert die Selbstbehauptung, und die Naturgewalten, ein ständiger Zeitdruck und Streitigkeiten untereinander tragen auch noch das ihre dazu bei, uns das Leben und das Zusammenleben zu erschweren. Es sieht so aus, als ob bei der Erschaffung der sichtbaren Welt nicht beabsichtigt gewesen wäre, ein Paradies zu errichten. Wir versuchen zwar wo immer es geht, in kleinen Zonen um uns herum, so etwas Ähnliches wie einen paradiesischen Zustand zu schaffen – müssen aber häufig erkennen, dass dies nur Illusion ist und auf keinen Fall von Dauer sein kann. Platon hat uns aber auch hier ein »Rezept« hinterlassen, das bei vernünftiger Anwendung der Zutaten durchaus zu einem guten Zusammenleben führen kann. Das abendländische Denken entfernte sich zwar aufgrund der Bevorzugung der aristotelisch-thomistischen Lehrmeinung durch die Kirchenobrigkeit immer weiter von Platons Ideen, und man hört immer wieder, dass Platon Lehren über die Künste und das Gute überholt seien. Doch diese Kritiken greifen zu kurz. Platons Betrachtungen über diese und auch andere gesellschaftliche Themen sind erstaunlich aktuell.

Wenn weiter oben über die »Künste« geschrieben wurde, dann war damit im Besonderen die »Kunst des guten Zusammenlebens« gemeint. Diese Kunst trägt nämlich ganz wesentlich zu einem Wohlfühl-Empfinden in uns und unserer Umgebung bei. Wer nämlich bereit und gewillt ist, einen Weg nach der Idee des Guten, also einen geistigen Pfad zu gehen, kann das viel einfacher in einer harmonischen Umgebung. Aber zurück zu Platon, der mit seinem Gesamtwerk eine gewaltige schöpferische Leistung vollbracht hat. Seine Philosophie erhebt ja den Anspruch, alle Bereiche des menschlichen Lebens zum Gegenstand des rationalen Denkens zu machen und auf bestimmte Prinzipien, Archetypen oder Ideen zurückzuführen. Und hier, bei den Prinzipien können wir einhaken, denn Platons Interesse galt einer Prinzipienlehre, die die Grundlage der Politik, also des Zusammenlebens in einer polis, einer Gemeinde, bilden sollte. Und sein »Erstes Prinzip« handelt vom Guten. Das Gute ist Platons höchste Idee, sie ist das Prinzip aller anderen Ideen und gehört einer höheren Ordnung an. Zugleich ist sie letztes Ziel und Sinn allen menschlichen Handelns. Nicht allein die Tugenden, sondern das Wesen von allem wird erst durch das Gute erkannt. Denn nur wenn der Mensch weiß, wofür ein Ding »gut« ist, ist er auch in der Lage, sein wahres »Wesen« zu erkennen. Hier zeigt sich also letztlich der ethische Hintergrund des geistigen Wissens Platons. Wir leben alle irgendwie zusammen – aber können wir auch nachhaltig gut zusammenleben? Diese Frage hat eine sozialpolitische Konsequenz. Platon war ein politisch denkender Philosoph. Das griechische Wort politiké wird mit bürgerlich übersetzt. Eine polis war eine Gemeinde mit Bürgern, die sich selbst im Sinne eines Stadtstaates regierte. Die polis war also ein Siedlungskern mit Umland, welche gewisse Regeln des Zusammenlebens brauchte.

Um uns möglichst gute und brauchbare Regeln zu vermitteln, schrieb Platon sein berühmtes Werk »Politeia«, was zumeist mit »Der Staat« oder auch »Die Republik« übersetzt wird. Das ist aber nicht ganz korrekt, denn der griechische Begriff politeia bedeutet eigentlich »Verfassung«, also das, was eine bürgerliche Gesellschaft in der polis gut zusammenleben lässt. Politik in diesem Sinne bezieht sich also nicht auf unser heutiges Verständnis (oder soll man besser sagen: Unverständnis?) von Parteipolitik. Politik ist bei Platon die Kunst und Wissenschaft des Zusammenlebens, und diese Definition ist bis heute wohl unübertroffen. Politik als Kunst des Zusammenlebens, das klingt vielleicht etwas theatralisch oder poetisch, doch hinter dem Begriff »Kunst« steckt mehr als wir glauben. Das altgriechische Wort, das wir mit Kunst übersetzen, lautet techne, wovon sich auch unser Begriff »Technik« ableitet.

Platon führt aus, dass im Begriff techne zwei Aspekte gleichermaßen wichtig sind. Einerseits geht es um handwerklich orientiertes Können, und diese Ausrichtung auf die Anwendung und das Praktische hat techne mit der Kunst gemeinsam. Andererseits geht es um ein objektives Wissen, das wir eher unter dem Begriff Fachwissen verstehen. Zweifellos brauchen kreative Berufe, die mit Musik, Tanz, Malerei oder Bildhauerei zu tun haben, objektives Fachwissen; das gilt aber genauso für die Kochkunst, Kampfkunst, Heilkunst oder die Kunst ein Buch zu schreiben und ein solches auch herzustellen. Platon definiert »Kunst«, also techne, als ein »Sich-verstehen-auf« mit einer theoretischen und einer praktischen Seite. Weil techne auf gesichertem Wissen und allgemeinen Regeln aufbaut, kommt es zur Bedeutung von Theorie (griechisch theoria = Anschauung, Ansicht). Und weil techne ihren Ausdruck im Tun, im Erlebbaren hat, kommt es zur Bedeutung von Praxis (griechisch praxis = Handlung, Tat).
Nach Platon umfasst Kunst also sowohl theoretisches als auch praktisches Wissen. Und darin liegt der Unterschied zum reinen Wissen einer Wissenschaft im engeren Sinn, wofür die Griechen den Begriff epistéme verwendeten. Platons Schüler Aristoteles war der Erste, der theoretisches Wissen (epistéme, also Wissenschaft), vom praktischen Können (techne, also Kunst) trennte. In der abendländischen Kulturgeschichte wird dies als eine der großen Leistungen des Aristoteles angesehen. Viele Anhänger Platons (mich eingeschlossen) bezweifeln aber, dass wir durch diese Trennung das bessere Los gezogen haben. Wie hätte sich unsere »westliche Kultur« entwickelt, würde unser Welt- und Menschenbild auf der Einheit von Denken und Handeln und auf der Einheit von Theorie und Praxis aufbauen? Und welche Art von Ethik hätten wir dann heute? Alle unsere »Spezialisten« und Wissenschaftler kosten nur ein sehr kleines Stück der wohlschmeckenden, großen Torte, denn ihnen fehlt das Wissen über die Synthese.

Teil 2

„Derjenige, der seine Seele mit allem Eifer dem Lernen hingegeben hat und sie mit dem ihr zugehörigen Schmuck geschmückt hat, mit Besonnenheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Freiheit und Wahrheit, darf um seine Seele unbesorgt sein, wenn das Schicksal ruft nach dem Hades aufzubrechen.“(Phaidon 114de)

Platon erstrebte eine politische Kunst oder techne, in der alle Elemente dem Guten dienen sollten. Das Thema des Guten oder der Güte durchzieht Platons Werk wie ein roter Faden, obwohl er kein Werk ausschließlich diesem Thema gewidmet hat. Platon verwendet hier das Wort areté. Areté ist aber nicht einfach nur »das Gute« oder »Güte« im moralischen Sinn – areté wird oft nicht ganz korrekt mit »Tugend« übersetzt – sondern »Güte« im Sinn einer speziellen Leistungsfähigkeit, wie z. B. die Güte eines Messers an dessen Schärfe und an der Haltbarkeit der Klinge gemessen werden kann. Ein Beispiel, das Platon auch selbst benutzte: Erst wenn ein Messer scharf ist, kann es seiner Bestimmung gemäß, nämlich gut zu schneiden, eingesetzt werden. Ein stumpfes Messer hat keine areté, also Güte auch im Sinne von guter Qualität. Somit bedeutet areté auch »höchste Wirksamkeit«, »bester Zustand«. Bei Platon geht es immer darum, die areté – als Idee des Bestmöglichen – in die Tat umzusetzen, und zwar in die bestmögliche Tat. Platon fragt sich dann auch, was eigentlich die areté des Menschen ist. Und um diese Frage kommt niemand herum, der herausfinden möchte, was die beste Form des Zusammenlebens ist, in die sich alle Menschen ideal einbringen und verwirklichen können.

Jeder Mensch hat seine Stärken und Schwächen, Vorlieben und Abneigungen. Diese persönlichen Unterschiede sind für Platon zweitrangig – er fragt, was die aretai, also die potenziell höchsten Qualitäten des Menschen an sich sind, unabhängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe und sozialem Stand. Platon fragt nach jenen Werten, die den Menschen erst zum MENSCHEN im Sinne einer reifen, verantwortungsvollen Persönlichkeit machen. Er fragt nach den Werten eines Bürgers, der für sein Handeln in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen kann. Dazu bedarf es laut Platon eines Bürgers, der eine gute areté (also Qualität) der Seele hat. In seinen Werken »Politeia« und »Nomoi« entwickelt Platon dazu seine Idee von vier grundlegenden Werten, die allen Menschen latent innewohnen und die durch gute Erziehung geweckt werden sollen. Diese Werte werden die vier platonischen Kardinaltugenden genannt. Zum Ersten handelt es sich dabei um die Besonnenheit: Menschen, die ihre Begierden nicht ausreichend lenken können, sollen sich zuerst um Besonnenheit bemühen. Das Ziel ist hier, ein Gleichgewicht im Verhalten zu üben und zu festigen. Dadurch werden negative Emotionen im Zaum gehalten, weniger Konflikte entstehen und sinnvollere Entscheidungen werden getroffen. Die Besonnenheit umfasst viele Anwendungsmöglichkeiten, z. B. die Mäßigung, wenn Gefahr droht Habgier auszuüben, andere auszunutzen oder Dinge und Geld zu wuchern. Alle Dinge sollen hinsichtlich ihres Wertes richtig eingesetzt werden. Ebenso ist das passende Gleichgewicht zwischen Härte (oder Kälte) und Nachgiebigkeit gegenüber anderen Menschen und auch beim Umgang mit sich selbst zu suchen.

Die zweite der platonischen Tugenden ist die Tapferkeit: Sie ist von denjenigen Menschen zu üben, die noch nicht ausreichend Durchhaltekraft besitzen, wenn es gilt, wertvolle Handlungen zu Ende zu bringen. Oder die Stärkung der Fähigkeit, etwas zu tun, vor dem man gewöhnlich Angst hat, weil man zu geringe Kenntnisse besitzt und scheitern könnte. Hier gilt es, sich bessere Kenntnisse anzueignen, dann wird die Angst dem muthaften Verhalten weichen. Ebenso, wenn nicht genug Standhaftigkeit gegen div. Verlockungen (z. B. Bequemlichkeiten) besteht, die von den eigentlichen Werten und Zielen ablenken. Ziel ist es, sein eigener Lenker zu sein, die wilden Pferde der Leidenschaften im Zaum zu halten und dadurch mehr persönliche Freiheit und Freude zu gewinnen. Eine weitere Form der Tapferkeit ist die Zivilcourage. Sie auszuüben heißt, in der Öffentlichkeit als Vorbild zu handeln, für den Schutz gegen Ungerechtigkeiten oder für ein edles Ziel einzutreten, auch wenn dadurch persönliche Nachteile entstehen können.

Als dritte Tugend sollten wir Klugheit und Weisheit entwickeln. Das Lernen und die Erfahrungen im Laufe der Lebensjahre ergeben langsam, Schritt für Schritt, einen Wissensschatz. Dadurch kann man wieder zum Vorbild werden, weil es leichter ist, in vielen Fragen objektive Entscheidungen zu treffen und man sich allgemein für das Gute einsetzen wird.

Die vierte Tugend, die Gerechtigkeit, entsteht dann, wenn alle drei bisher genannten Kardinaltugenden auf richtige Art und Weise zusammenarbeiten. Dann ist das rechte und harmonische Verhältnis unserer drei Seelenteile (lt. Platon Vernunft, Mut und Wille sowie die Begierden) erreicht. Platon nannte das den Zustand der Gerechtigkeit, das ist die höchste Tugend in Bezug auf die Seele.
Natürlich gibt es noch wesentlich mehr Tugenden und Werte, doch diese vier Kardinaltugenden (lat. cardo = Türangel, Dreh- oder Angelpunkt) bilden die Basis des platonischen Bildungs-Ideals, um das sich alle weiteren Tugenden ranken. Und vielleicht könnt ihr euch noch an den Beginn dieses Artikels im I. Teil erinnern, wo von der Bereitschaft zur Umwandlung der Seele die Rede war. Was braucht es denn zu einer Umwandlung? Natürlich einen Dreh- und Angelpunkt! Und diesen Drehpunkt der Seele finden wir jetzt in den platonischen Kardinaltugenden. Und in einer Gesellschaft, in der jeder Bürger diese Grundwerte wirklich lebt und danach handelt, wird sich die Lebensqualität sowohl des Einzelnen als auch der ganzen Gesellschaft enorm steigern. Und das seinen Mitmenschen vorzuleben, mit gutem Beispiel voranzugehen, bedeutet auch, den geistigen Pfad zu beschreiten.

Warum ist Platon wieder ein so »moderner Philosoph«?

Persönliche und gesellschaftliche Lebensqualität sind bei Platon zuallererst eine Frage der moralischen Integrität und nicht eine Frage der Wirtschaft. Was skandierten in Spanien die Menschen auf den Straßen, welche aufgrund von Arbeitslosigkeit ihre Wohnungen verlassen mussten, bzw. aus ihren Wohnungen vertrieben wurden?: „Helft doch endlich auch einmal den Menschen und nicht immer nur den Banken.“ Und die horrenden »Griechenland-Hilfsgelder« der EU kamen auch nicht den Griechen zugute, sondern landeten zum größten Teil wieder direkt bei den Banken, welche der griechischen Regierung hohe Kredite gewährt hatten, um ihr unsinnige Waffenkäufe zu ermöglichen.

Die entscheidenden »Güter«, also aretei des Menschen sind geistiger und nicht materieller Natur. Platon weist nach, dass Menschen, die sich primär und geistige Güter kümmern, als Folge auch alle notwendigen materiellen Güter entwickeln und glücklich sein werden, denn ihre moralische Integrität macht sie zu Menschen mit Bescheidenheit, Empathie , innerer Stärke sowie zu zuverlässigen Geschäftspartnern und Mitbürgern, welche sicher auch Sympathie ausstrahlen. Der Zusammenschluss guter Menschen oder hauptsächliche guter Menschen bildet schlussendlich einen friedvollen und »glücklichen« Staat.

Menschen, die sich hingegen nur um materielle Dinge kümmern, werden keine inneren Werte wie Solidarität, Toleranz, Großzügigkeit entwickeln, und dadurch werden sie wohl niemals echte Freunde haben und trotz allen Reichtums eher einsam und unglücklich sein. Solche Menschen sind der Ruin der Gesellschaft. Gegenwärtig gibt es in der Gesellschaft drei Begriffe, welche sehr häufig verwendet und somit schon strapaziert bis überstrapaziert werden, welche aber diese Gedanken weiterentwickeln. Der erste lautet Nachhaltigkeit, im Englischen sustainability, der zweite win-win-strategy, auf gut Deutsch ein Geschäft, aus dem beide Partner einen Nutzen ziehen und nicht einer davon über den Tisch gezogen wird (ein Begriff aus den 90er-Jahren und gängiger Bestandteil vieler Wirtschaftsseminare), und der dritte handelt von der Systemtheorie (das systemische Denken verankert sich heute immer mehr in der Ökologie, Soziologie und Psychologie). Falls jetzt der geneigte Leser diese drei Begriffe näher definieren will und dazu ein Fachlexikon oder das Internet zu Rate zieht wird er feststellen und erstaunt sein, wie modern Platon und dessen philosophischer Weg heutzutage wieder ist.
Aber nur durch die Tat und durch das Beschreiten dieses philosophischen Weges kann die denkbare Welt des Guten auch erkannt werden. Sind wir aber noch keine Sucher aus einer inneren Not und weil uns die vielen Ungerechtigkeiten schon »so richtig auf den Geist gehen«, sondern vielleicht nur wissbegierig und wollen aus diesem Wissen vielleicht noch materiellen Nutzen ziehen, dann wird der Erfolg ausbleiben.

Deshalb steht am Anfang dieses Prozesses auch die Selbsterkenntnis, welche durch reines, am vernünftigen Verstand orientiertes Denken erworben wird. Wenn wir nicht zu Tat schreiten, d. h. die im eigenen Leben gewonnenen Einsichten konsequent anwenden, werden wir aus Mangel an Erfahrung bei der Theorie stehen bleiben. Im 7. Brief Platons heißt es dazu: „Diejenigen aber, die eine streng sittliche Lebensweise, welche als einzige für diese Aufgabe passend ist, als zu aufwendig und über ihren Kräften liegend empfinden oder sich einbilden, sie hätten durch das Gehörte schon eine genügende Vorstellung des Ganzen und könnten sich weitere Bemühungen sparen, diese versagen im Dienste der Philosophie.“

Die Idee der Gerechtigkeit in der »Politeia«

Im Buch »Sophistes« schreibt Platon: „Die Weisheitsliebenden gelangen zu folgender Erkenntnis: Ihre Seele war, ehe die Philosophie sie in ihre Obhut nahm, völlig an den Körper (also an die physische Person) gekettet . . . nachdem also die Philosophie die in solchem Zustand befindliche Seele in ihre Obhut genommen, richtet sie diese durch sanften Zuspruch auf und sucht ihr zur Freiheit zu verhelfen.“
Im Dialog »Politeia« (»Die Verfassung« oder «Der Staat«) steht das Wesen der Gerechtigkeit als immer seiende Idee im Zentrum der Betrachtungen. Im Bewusstwerdungsprozess zum Erkennen dieser Gerechtigkeit sollten die Seele und deren unsterblicher Teil erkannt werden können. Die Erkenntnis vom unsterblichen Seelenteil in uns ist nach Platon eine Voraussetzung dafür, dass wir vom Nutzen der Philosophie überzeugt sind und in ihr auch den Weg erkennen, den es zu beschreiten gilt.

Den letztendlich gültigen wissenschaftlichen Beweis über die unsterbliche Seele konnte Platon auch nicht erbringen, aber er hat im Dialog »Phaidon« in meisterhafter Kunst die zentrale Frage: „Was geschieht mit der menschlichen Seele nach dem Tode?“ auf feinfühlige Weise der Nachwelt hinterlassen. Er spricht hier vom Astralleib und von einem Seelenfahrzeug – offensichtlich ein Boot – welches von den Seelen bestiegen wird, die damit zu einem See im Totenreich fahren. Im »Phaidros« wiederum rät er, uns durch die Seele richtig lenken zu lassen. Die menschliche Vernunftseele lenkt hier den Wagen, der von den beiden Pferden Gemüt und Begierde gezogen wird.

In unserer Seele wirken zwei Impulse: Ein auf die sichtbare Natur bezogener, der charakterisiert ist durch die Selbstbehauptung; und ein auf die denkbare göttliche Welt bezogener; sein Merkmal ist das Begehren und der Durst nach Wissen, Erkenntnis vom Guten und der Gerechtigkeit zu erlangen und sein Bewusstsein in der Welt des Guten zu festigen. Der Prozess der Selbsterkenntnis wird uns bei Platon sehr deutlich in den Gleichnissen dargestellt, und im Dialog »Politeia« treten drei Menschentypen auf, deren Merkmale mit den Bewusstseinsstufen im Liniengleichnis korrespondieren. Auf der ersten Stufe ist hier Thrasymachos anzutreffen, der Naturmensch, der das Recht des Stärkeren als natürliche Gerechtigkeit versteht. Auf einer höheren Stufe sind Adeimantos und Glaukon anzutreffen: Sie hinterfragen das traditionelle Gerechtigkeitsbild und suchen nach Antworten, die sie sich von Sokrates erhoffen, wobei der mutige aber auch streitsüchtige Glaukon durchaus den Ansichten des Thrasymachos auch etwas abgewinnen kann. Und auf der höchsten Stufe befindet sich schließlich Sokrates selbst, der gebildete Philosoph, der sein Bewusstsein aus der vernünftigen Denkseele schöpft, die Ideen erkennt und in Kenntnis aller Aspekte der Seele demjenigen Seelenteil in sich die Leitung übertragen hat, welcher zum Erkennen des Guten, Gerechten und zu einem Zustand des Glücks führt. Diesen Prozess der Seelenumwendung, also die Übertragung der Seelenleitung an die göttliche Vernunft, kann nur vom wissenden Schüler selbst in einem inneren Prozess durchgeführt werden und wird wahrscheinlich auch eine Veränderung des äußeren Lebens bewirken. Berufs- und Gesellschaftsleben sollen dabei unseren inneren Weg nicht oder nicht zu sehr beeinträchtigen.

Platon hat sich quer über die 10 Bücher der »Politeia« hinweg immer wieder mit der Frage über die absolute Gerechtigkeit befasst. Er war der Meinung: „Falls es eine göttliche Ordnung gibt, muss diese auch erkennbar sein.“ Diese Ordnung war für ihn wichtig, denn darin müsste konsequenterweise auch die Gerechtigkeit zu finden sein. Im irdischen Bereich ist diese Gerechtigkeit aber kaum feststellbar! Die vom Menschen festgelegten Gesetze werden in rascher Folge geändert, und sie werden oftmals den jeweiligen Machtverhältnissen angepasst. Gerecht ist dann das, was den Herrschenden nützt. Eine Gerechtigkeit, welche aber Anspruch auf eine immerwährende Gültigkeit erhebt, muss daher über unser irdisches Dasein hinaus betrachtet werden und kann deshalb nur unsere Seele betreffen. Wir müssen uns daher unseres unsterblichen Seelenteils bewusst werden; und erst wenn im Bewusstsein einer Seele das Wesen der Gerechtigkeit erkannt wird und die erkennende Seele als Beweis, dass sie erkannt hat, ihre Taten und Worte an dieser Gerechtigkeit ausrichtet, gelangt sie in einen Zustand des sokratischen Glücks, der schon öfter erwähnten »Eudaimonia«. Die Vernunft der Denkseele hat die Leitung über die ganze Seele übernommen und der begierdenhafte Seelenteil lässt sich von ihr lenken, d. h. der »Höhere Manas« hat über den »Niederen Manas« die Oberhand gewonnen.

Es gibt also eine Ordnung der sichtbaren Natur – das Recht des Stärkeren – und eine rein geistige Ordnung einer übergeordneten Gerechtigkeit – wenn wir so wollen das Recht des Klügeren oder Vernünftigeren. Das heißt in Platons Beispiel: Thrasymachos hat hier in der irdischen Natur das Recht für sich; Adaimantos und Glaukon fühlen auch die für die Seele geltende Ordnung, können diese aber nur teilweise erfassen und beschreiben; Sokrates und Platon indessen interessiert nur die Seelenordnung von übergeordnetem Rang, die Entwicklung des unsterblichen Teils der Seele. Im Dialog wird nun versucht, uns – damit meine ich diejenigen, welche auf der Stufe von Adaimantos und Glaukon stehen – vor den Folgen zu warnen, welche wir zu erwarten haben, wenn wir nur an der sichtbaren Naturordnung festhalten.

Das Schöne, das Wahre, die Gerechtigkeit und das Gute sind nach Platon Ideen, die nur mit dem vernünftigen Verstand erkannt werden können, und dieser ist das Erkenntnisorgan der Denkseele. »Seelenbewusstsein« kann deshalb nicht ohne Anstrengung erlangt werden. Platon scheute auch keinen Aufwand, um bestrebten Schülern die von ihm erkannte Wahrheit näherzubringen. Er war sich aber auch bewusst, dass das von ihm vorgestellte Staatsgebilde in »unserer Gesellschaft« – damals wie heute – keine Möglichkeit auf Verwirklichung besaß. Er schrieb selbst über diesen imaginären Staat: „Aber im Himmel ist er vielleicht als Muster hingestellt für den, der ihn anschauen und gemäß dem Erschauten sein eigenes Inneres gestalten will …“

Auch Sokrates ging im »Timaios« darauf ein, als er sich mit Kritias, Hermokrates und dem Astronomen Timaios aus Lokroi traf und mit ihnen nochmals die wichtigsten Punkte der »Politeia« zusammenfasste. Sokrates wünschte sich, diesen Idealstaat einmal unter Realitätsbedingungen zu erleben (z. B. in einem Krieg), während Kritias auf die Ähnlichkeit dieses idealen Staatsentwurfs mit dem mythischen Ur-Athen verwies und sich bereit erklärte, die Geschichte vom Krieg Ur-Athens gegen Atlantis zu erzählen.

Nachdem jetzt schon einige Male über verschieden »Seelenteile« zu lesen war, darf die genauere Beschreibung Platons über diese drei miteinander verbundenen Teile der Seele nicht fehlen. Es sind dies:

  1. die Vernunftseele (Denken, Vernunft, Einsicht, Erkenntnis) – Logistikón;
  2. die Affektseele (Eifer, Wille, Vertrauen, Zuneigung, Liebe, Angst, Neid) – Thymoeides; und
  3. die Triebseele (Begierde nach Nahrung, Schlaf, Sexualität) – Epithymetikon.

Von den konträren ersten und dritten Seelenteilen wurde schon geschrieben, der zweite wird auch als muthafter Seelenteil oder Eifer bezeichnet. Beim Naturmenschen und auch noch beim Kleinkind wird der muthafte Seelenteil im Dienste des Begehrens stehen, beim im Denken geschulten Menschen wird er eher zum Verbündeten der Vernunftseele werden. Unser Bestreben sollte nun darin liegen, dass wir eine Harmonie zwischen den Seelenteilen herstellen. Die Besonnenheit eines Philosophen erkennt die Gerechtigkeit, wenn jedem Seelenteil das Seinige zukommt. In diesem Zustand ist die Vernunft König im Reich der Seele geworden, und das ist das Ziel des von Platon angestrebten Weges auf einem geistigen Pfad, das besonders auch die Führer eines Staates, die Politiker, im Auge haben sollten. Er schreibt (wahrscheinlich mit Sorgenfalten auf der Stirn) darüber Folgendes:

„Wenn nicht entweder die Philosophen Könige werden in den Staaten, oder die jetzt sogenannten Könige und Gewalthaber sich aufrichtig und gründlich mit Philosophie befassen und dies beides in eins zusammenfällt, . . . gibt es kein Ende des Unheils für die Staaten, ja, wenn ich recht sehe, auch nicht für das Menschengeschlecht überhaupt, und auch unsere Staatsverfassung . . . wird nicht eher entstehen und das Tageslicht erblicken.“

Die drei Seelenteile des Menschen beschreibt Platon mit dem Bild eines Menschen, in dessen Inneren sich drei Gestalten befinden: zunächst ein vielköpfiges Ungeheuer, sodann ein Löwe und als kleinste Gestalt ein Mensch. Das Bildungsziel eines Philosophen im platonischen Sinn, also eines auf dem geistigen Pfad befindlichen Menschen, sollte nun sein: „Den inneren Menschen zum vollen Herrn des ganzen Menschen und zum rechten Wächter des vielköpfigen Ungetüms zu machen, der die Triebe nährt, die wilden aber nicht aufkommen lässt, wobei er sich die Kraft des Löwen als seinen Bundesgenossen dienstbar macht, und so, für alles sorgend und sie sowohl untereinander wie mit sich selbst befreundend, seines Pflegeramtes waltet . . . Wer also vernünftig ist, der wird sein Leben so gestalten, dass er alle seine Kräfte auf dieses Ziel hin ausrichtet. Er wird nur die Wissensfächer hochhalten, die geeignet sind, seiner Seele die geschilderte Beschaffenheit zu geben, während er die andere Seite gering schätzt.“

Gelingt es der »Denkseele«, den Willen zu ihrem Verbündeten zu machen, kann der Zugang zur Welt der Ideen gefunden werden wodurch es uns möglich wird, die Ideen auch zu erkennen! Wem das gelingt – ist wahrer Herrscher in der eigenen Seele und ein »echter« Aristokrat und König. Solche »Seelen-Aristokraten« vergleicht Platon nun mit den Timokraten, d. h. jenen, welche vom muthaften Seelenteil beherrscht werden, und den Oligarchen, die wiederum vom begehrlichen Seelenteil beherrscht werden. Dann mit dem Demokraten, welcher sich im Wechsel der Seelenteile beherrschen lässt – unsere demokratischen Politiker drehen sich ja auch oft wie das Fähnchen mit dem Wind – und schließlich mit dem Übelsten, dem Tyrannen, der aus wechselnden Gemütsverfassungen die anderen Seelenteile beherrscht und ohne klare Vorstellung die ganze Seele ins Unglück führt.

Die Gerechtigkeit im Staat wäre dann gewährleistet, würde der Staat von Philosophen, den Erkenntnisträgern, geleitet. Die Wächter (Beamten) würden dafür sorgen, dass die Erkenntnisinhalte der für die Seelenbildung erforderlichen Programme auch umgesetzt werden. Diejenigen, welche für die Erfüllung der natürlichen Bedürfnisse zuständig sind, erfüllen diese Tätigkeit voller Einsicht und sorgen für den physischen Lebensunterhalt.

Platon hat ein auf die menschliche Fähigkeit des Denkens aufgebautes Gebäude errichtet; wer in dieses Gebäude eintritt, hat die Möglichkeit, Selbsterkenntnis zu erlangen. Diese Selbsterkenntnis kann durch den Prozess des »dialektischen Denkens« gewonnen werden. Dialektisches Denken fordert von uns, dass wir unser eigenes, gewohntes Denken ständig hinterfragen, d. h., dass wir sozusagen unser eigener Kritiker werden. Durch das Hinterfragen unseres eigenen Denkens und unserer Art zu denken kann es uns gelingen, unseren ursprünglichen Gedanken, der durch eigenes »Nachfragen« und ein daraus folgendes »Überdenken« überprüft wurde, zu einer besseren oder höheren Erkenntnis zu führen. Das ist ein Umwandlungsprozess des Bewusstseins vom Ich-Bewusstsein zu einem unpersönlichen höheren Bewusstsein, welcher bis zur Erkenntnis der platonischen Idee des Guten reifen kann. Diese Idee des Guten kann nicht beschrieben, sondern nur im eigenen Wesen nach erfolgreicher Beendigung dieses Prozesses erfahren werden.

Volles Bewusstsein von dieser Welt und »Weltordnung in der eigenen Seele« zu erlangen ist das Ziel. Ist dieses Ziel erreicht, dann leben wir, dann sind wir beseelt vom Bild der ursprünglichen Idee des Wesens »Mensch«. Dann erst sind wir uns unserer wahren Abstammung bewusst und werden unser Leben so gestalten und unsere Handlungen so setzen, dass sie auch das Kennzeichen dieser Abstammung tragen. Und wenn uns dieser Prozess gelingt, dann sind wir als irdische Menschen wieder zum Bildträger des göttlichen Menschen geworden. Diesen Erkenntnisvorgang bezeichnet Platon als »Wiedererinnerung der erkennenden Seele«. Das Seiende und das Gute haben keine Ursache, denn sie sind nicht entstanden – sie SIND.

Das Aufzeigen des Weges, der zu dieser Erkenntnis führt, ist wahre Philosophie. Die Dialektik ist dazu eine hervorragende Methode der Wahrheitsfindung – Platon bezeichnet sie als ein Göttergeschenk. Das Göttergeschenk, das er meint, ist die Denkfähigkeit des Menschen und die richtige Nutzung von Verstand und Vernunft. Die Dialektik sucht die Einheit, das heißt die dahinterstehende Idee, welche die Vielheit der Phänomene verbindet. Sie erkennt sehr wohl die Verwandtschaft zwischen dem Denkbaren und dem Sichtbaren, aber auch deren Verschiedenheit. Und das jeweils Richtige und Brauchbarste immer zu erkennen – das sollte unser Bestreben sein, dem wir uns mit allen Körper- und Verstandeskräften widmen.

Teil 3:

„Man darf nicht ablassen, diese Dinge zu prüfen, und nicht eher ruhen, als bis man sich völlig erschöpft hat. Entweder sollte man sich belehren lassen oder es selbst finden oder, wenn dies nicht möglich ist, die beste der menschlichen Meinungen darüber zu nehmen und darauf wie mit einem Notkahn durchs Leben zu schwimmen, wenn einer nicht auf einer göttlichen Rede fahren kann.“ (Phaid. 85d)

Über die »Platonische Liebe«

Einen wichtigen Wegweiser Platons finden wir auch im Begriff der „Platonischen Liebe“, weshalb auch hier ein Blick hinter die vordergründige Deutung des Begriffes neue Erkenntnisse bringen kann. Spricht man mit jemand darüber, der sich mit Platon nicht näher beschäftigt hat, bekommt man als Antwort zumeist die Frage gestellt: „Ach ja, das bedeutet, »dass man nicht darf« – oder?“ Was mit »nicht darf« gemeint ist errät wohl jeder, wer aber die Philosophie Platons einigermaßen kennt, kommt da sicher ins Grübeln.

Platon, der Naturphilosoph – sollte uns der etwa verboten haben Nachkommen zu zeugen? Das kann doch nicht sein. Was steckt hinter dieser vorgefassten Meinung, platonische Liebe bedeutet, keinen Geschlechtsverkehr zu haben? Die Gleichnisse Platons führen uns immer in irgendeiner Form nach »Oben«, zu den »dort Oben« angesiedelten höchsten Ideen des Guten und Schönen und diesem Fall wahrscheinlich zur höchsten Idee der Liebe.

Aber mit dem Wort »Liebe« haben wir im deutschsprachigen Raum ein echtes Problem. Dieses Wort muss für alles herhalten, was in irgendeiner Form eine Beziehung zwischen zwei Menschen erklären soll. Das Wort Liebe wird sogar dann verwendet, wenn sich ein Mann mit einer Prostituierten einlässt. Wahrlich, die Menschen haben die große kosmische Bedeutung der Liebe vergessen – oder besser gesagt, sie wollen sie nicht wahrhaben. Aber wir haben im deutschen Sprachraum offensichtlich zu wenige Worte, um die verschiedenen Formen und Arten der Liebe, oder das was wir zumindest dafür halten, zu beschreiben.

Die Griechen hatten es da schon etwas leichter. Für die soeben beschriebene Handlung der reinen physischen Triebbefriedigung, noch dazu gegen Bezahlung, trifft wohl am besten das Wort sexos zu, das wir als Sex auch aus dem Amerikanischen importiert haben. Die mit heftigem Begeh­ren verbundene erotische Liebe nannten die Griechen eros; philia war die milde, freund­schaftliche Liebe und Zuneigung, während agape die wohlwollende Liebe ohne dem Ziel des Begehrens ausdrückte. Platon hat seinen berühmten Dialog Symposion,das „Gastmahl“ ganz dem Thema der platonischen Liebe gewidmet. In anderen Schriften hat sich Platon auch mit der freundschaft­lichen oder familiären Liebe auseinandergesetzt, deren Merkmal eine dauer­­hafte Zunei­gung ist. Im Symposion aber, in dem er seine Ideen dem Sokrates in den Mund legt, geht es um die Macht des Eros. Zunächst erzählt hier aber Aristophanes den Mythos vom Kugel­menschen. Demzufolge hatten die Menschen ur­sprünglich kugelförmige Rümpfe sowie vier Hände und Füße und zwei Gesichter auf dem Kopf. Damit konnten sie allerlei Dinge anstellen, die wir heute nicht mehr können. In ihrem Übermut wollten sie sogar den Himmel stürmen. Dafür bestrafte sie Zeus, indem er sie in zwei Hälften teilte. Diese Hälften sind die heutigen Menschen, und in ihrer Sehnsucht nach der verlorenen Ganzheit suchen sie im erotischen Begehren ihre ursprüngliche zweite Hälfte. Für uns deutet dieser Mythos wohl eindeutig auf die Trennung der Geschlechter hin, und seit dieser Zeit sind wir ja auch im Unbewussten ständig auf der Suche nach dem idealen Partner, der idealen Partne­rin, unserer Dualseele. Unser erotisches Begehren wird im Symposion als Wunsch nach Be­hebung eines Mangels und nach Erlangung von Ganzheit oder Voll­kommenheit interpretiert.

Der mythische Eros ist nach dieser Darstellung nicht – wie in einer verbreiteten Überlie­ferung – der Sohn der Göttin Aphrodite, sondern er wurde an dem Festmahl, das die Götter anlässlich von Aphrodites Geburt hielten, gezeugt. Seine Mutter Penia, die personifizierte Armut, kam als Bettlerin zu dem Mahl und traf dort den betrunkenen Poros (den „Weg­finder“). Poros ist die Findigkeit in Person, die stets einen Ausweg findet und den Weg zu Fülle und Reichtum bahnt. Ihm fehlt aber, wie seine Betrunkenheit andeutet, die Fähigkeit des Maßhaltens. Um ihre Bedürftigkeit auszugleichen, wollte Penia von ihm ein Kind empfangen. So kam es zur Zeugung des Eros, der sich später der Göttin, deren Geburtsfest zur Begegnung seiner Eltern geführt hatte, anschloss und ihr Begleiter wurde. In seinem Naturell verbindet Eros die Eigen­schaften seines Vaters mit denen seiner Mutter. Von der Mutter hat er das Prinzip des Mangels geerbt, daher ist er arm und unansehnlich, barfuß und obdachlos. Vom Vater hat er seine Tatkraft und Schlauheit, seine Zauberkunst und die starke Neigung zum Schönen und Guten, die ihn antreibt. Da auch die Weisheit zum Schönen zählt, ist er aber auch ein Philosoph. Ihm fehlt Einsicht, doch strebt er eifrig danach, da er sich dieses Mangels bewusst ist.

Wie der mythische Eros trachtet auch der menschliche Erotiker nach der ihm fehlenden Fülle, nach dem Schönen und Guten, wobei Schönheit in diesem Fall auch als Überbegriff für Weisheit und als eine höhere Ausdrucksform der Liebe zu betrachten ist. Diese Menschen wollen das Erstrebte mit allen Mitteln für sich erlangen und dann dauerhaft besitzen, um glücklich zu sein.

Das Stufenmodell des Aufstiegs zur „Platonischen Liebe“

Das erste, was im jungen Menschen die Kraft des Eros erwachen lässt, ist der Anblick eines schönen Körpers. Da jede Schönheit auch ein Aspekt des Göttlichen ist, wirkt sie unmittelbar attraktiv. Daher richtet sich das erotische Begehren zunächst auf das Schöne in der Gestalt, in der es uns auf der körperlichen Ebene sinnlich wahrnehmbar entgegentritt.

Eine ganz besondere Stärke erreicht die erotische Anziehungskraft dann, wenn die begehrte Person nicht nur von körperlicher Schönheit, sondern auch von seelischer Tugend ist. Dio­tima, mit der Sokrates in philosophischer Freundschaft verbunden war, entwickelt von dieser Tugend ausgehend ihre Lehre von der philosophischen Lenkung des erotischen Drangs. Wenn man sich in der Jugend schönen Körpern zuwendet, sollte man dabei erkennen, dass es nicht nur um die Vorzüge eines bestimmten Körpers geht, sondern um die Schönheit an sich, die in allen schönen Körpern vorhanden ist. Später, reifer und klüger geworden, wird man sich eher der seelischen Schönheit zuwenden, die man in einer be­stimmten Person wahrnimmt. Daher richtet sich nun die Liebe auf diese Person, auch wenn sie äußerlich nicht so attraktiv ist. Das führt uns dann schon auf einen Weg in Richtung Ethik; der wahrhaft Liebende entdeckt das Schöne in schönen Handlungen. Noch später wird auch die Schönheit von Erkenntnissen, das Gewinnen von philosophischen Einsichten, zum Ziel der Begehrlichkeit des Menschen. Dabei erhält er Gele­genheit zu entdecken, dass auch im geistig-seelischen Bereich die Schönheit nicht an etwas Einzelnes gebunden ist, sondern dass es das Allgemeine ist, die Idee der Schönheit an sich, die sich detailliert jeweils im Besonderen zeigt. Von diesem Punkt aus gelangt der Liebende zu einer – für ihn zu dieser Zeit höchst­möglichen – Erkennt­nisstufe. Hier kommt es nicht mehr auf einzelne Tugenden oder auf einzelne schöne Taten oder Einsichten an, sondern auf die Schönheit, in der jetzt die philosophische Weisheit und die Liebe integriert sind, im allgemeinsten und umfassendsten Sinne, die allen Erscheinungs­formen des Schönen als deren Quelle zu-grunde liegt. Diese höchste Idee, dieses Urbild des Schönen, ist dann keine Abstraktion oder ein gedankliches Konstrukt, sondern für den, der diese letzte Stufe erreicht hat, ganz plötzlich eine wahrnehmbare Wirklichkeit. Wer dies erlebt hat, ist am Ziel seiner erotischen Mühen angelangt, er ist dann der Bedürftigkeit enthoben.

Ein Hauptmerkmal eines soweit fortgeschrittenen Erotikers ist aber, dass er sich nicht mehr mit der passiven Betrachtung des Schönen begnügt, sondern plötzlich eine schöpferische Betätigung anstrebt, zu der ihn das Schöne ja anregt. Er will nicht nur Eindrücke empfangen und Erkenntnisse gewinnen, sondern er will selbst etwas Schönes hervorbringen. Wer also die platonische Liebe erkannt hat, gehört nicht zu denen, die nicht dürfen, sondern zu denen, die etwas können; zu den Kreativen, die etwas Schönes gestalten, schöpfen, hervor­bringen. Seine Nachkommen sind die von ihm geschaffenen kulturellen und auch politischen Werke und Werte, sofern er seine Fähig­keiten auch zum Nutzen der Gemeinschaft ein­gesetzt hat.

Der vom Eros angetriebene Aufstieg zum wahren Schönen ist ein weiterer Wegweiser Platons zum geistigen Pfad, wie er es uns auch im Höhlengleichnis und in der Politeia dargelegt hat. Und können wir uns auf unserem geistigen Pfad bessere Wegweiser wün­schen wie Platon und mit ihm Sokrates. Der Weg eines Philosophen, in diesem Fall eines Erotikers, der begonnen hat zu philosophieren, führt immer vom „kleinen Wissen“ zum größeren und zum Umfassenderen und damit vom Mangelhaften zum Vollkommenen. Platon zeigt uns einen Weg des stufenweisen Voranschreitens zu immer höheren Realitätsebenen, bis sich schließlich unser Blick dem Höchstmöglichen, dem Besten, dem Gipfel der Ideen zuwenden kann. Im Symposion dem Ur-Schönen und dem Gipfel der denkbaren Liebe und in der Politeia anhand eines Vor­dringens zur höchsten Idee des Guten an sich.

Die Seele, sagt Platon im Theaetetus, könnte nie die Form eines Menschen annehmen, wenn sie die Wahrheit niemals gesehen hätte. Es ist eine Erinnerung an das, was unsere Seele früher sah, als sie mit der Gottheit EINS war; als sie die Dinge verachtete, von denen wir jetzt sagen: sie sind; als sie zu DEM aufsah, das wirklich ist. Deshalb ist der »Nous« oder Geist des Philosophen (oder des Forschers nach höherer Wahrheit) allein mit Flügeln versehen, weil er mit all seinem Vermögen diese Dinge im Gemüte festhält, deren Betrachtung die Gottheit selbst göttlich macht. Wenn man all das, woran man sich aus früheren Leben erinnert, richtig gebraucht, sich beständig in den vollendeten Geheimnissen vervoll­kommnet, dann wird der Mensch wahrhaft vollkommen – ein in die göttliche Weisheit Initi­ierter. Wir können jetzt verstehen, weshalb die erhabenen Vorgänge in den Mysterien immer des Nachts stattfanden. Das Leben des inneren Geistes ist der Tod der äußeren Natur; und die Nacht der physischen Welt deutet auf den Tag des Geistigen. Dionysius, die Nacht-Sonne, wird deshalb eher als Helios, der Stern des Tages, verehrt. In den Mysterien wurde das präexistente Verhalten zwischen Geist und Seele symbolisch dargestellt; ebenso der Fall der Seele in das Erdenleben und den Hades, das Elend dieses Lebens, die Reinigung der Seele und ihr Wiedereingehen zu göttlicher Wonne oder die Wiedervereinigung mit dem Geiste.

Platon bezeichnet die »Epopteia« oder das persönliche Schauen als vollkommene Betrach­tung von Dingen, die durch Eingebung erfasst werden, von absoluten Wahrheiten und Ideen. Er betrachtet auch das Verbinden des Kopfes und die Krönung als analog der Vollmacht, andere zu derselben Betrachtung anzuleiten, eine Macht, die jeder von seinen »höheren Lehrern« erhält. Darauf folgt die fünfte Stufe vollkommenster Glückseligkeit und nach Platon das Nahen der Gottheit, soweit es menschlichen Wesen möglich ist.

Das ist Platonismus! „Aus Platons Werken“, sagte der amerikanische Philosoph Ralph Waldo Emerson, „fließt alles, was Männer von Geist noch je schreiben und worüber sie je streiten werden.“ Er vereinigte in sich das ganze Wissen seiner Zeit und es war so umfassend, dass alle Philosophie Europas und Asiens in seinen Werken enthalten war; und der Ausbauung seiner philosophischen Anschauung fügte er die Natur und Eigenschaften eines Poeten hinzu.

Im ersten Band der „Psychischen Energie“ habe ich einen Absatz gefunden, der mir hier als abschließender Vergleich gut geeignet schien, nachdem wir im I. Teil von Leuchtspuren und einem Funkensprung lesen konnten. Es heißt da: „Wer sein Herz für das Wohl der Welt opfert, dem gehört die ganze Welt, und seiner Entwicklung sind keine Grenzen gesetzt, da nicht mehr er als Persönlichkeit, sondern ein göttlicher Funke als Teil der Universums in ihm den Menschen zum Ausdruck bringt. Somit ist das Ego zur Gottheit zurückgekehrt und hat seinen Auftrag erfüllt, und das ist jener Punkt, von dem aus es keine Rückkehr mehr gibt.“

Quellenhinweise:
Christoph Horn/Jörn Müller/Joachim Söder: Platon Handbuch; Verlag J. B. Metzler, ISBN 978-3-476-02193-9 • Thomas Werner: Platons klare Sicht zum Himmel; Frieling-Verlag, Berlin, ISBN 978-3-8280-2769-5 • Christina Schefer: Platons unsagbare Erfahrung; Schwabe Verlag, Basel 2001, ISBN 978-3-7965-1561-3 • Thomas Paulsen, Rudolf Rehn (Hrsg.): Platon: Timaios. Reclam, Stuttgart 2003, ISBN 3-15-018285-9 • Karl Vretska: Platon: Der Staat. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-008205-6. ©Günter Fischwenge

Zeitschrift Welt-Spirale 11/12 2014